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Wer recyclen will muss wegwerfen - Kreislaufwirtschaft als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft

Kreislaufwirtschaft als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft - dies war das Thema des Talks "Brainfood" am 19. Juni im aufhof in Hannover. Zu Gast waren aha-Geschäftsführer Thomas Schwarz und Prof. Dr.-Ing. Andrea Siebert-Raths, Leiterin ders Instituts für Biokunststoffe und Bioverbundwerksstoffe an der Hochschule Hannover. Moderiert wurde das innovercity-Format von Uwe Berger, Geschäftsführer der Existenzraum GmbH.

 

Kreislaufwirtschaft: Können Sie kurz erklären, was unter Kreislaufwirtschaft verstanden wird und warum sie als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft gilt?

Thomas Schwarz: Wir haben keinen Planet B – wir müssen mit dem, was uns die Erde liefert, haushalten.

Wir wissen, dass wir über unsere Verhältnisse leben – der Earth overshoot day (01.08.2024) mahnt uns, nicht zu Lasten künftiger Generationen Vorräte und nachwachsende Rohstoffe zu verbrauchen.

Kreislaufwirtschaft hat das Ziel, Rohstoffe nicht linear zu verbrachen oder unbrauchbar zu machen, sondern möglichst lange wieder neu im Wirtschaftskreislauf einzusetzen. Also: Kein Ex und Hopp, sondern möglichst lange die Stoffe im Spiel halten.

Klassisch: Wir kennen es aus dem Pfandsystem – die Limonade ist frisch, die Flaschen sind alt, aber sie erfüllen ihnen Zweck. Selbst wenn sie mal kaputt gehen sollten – Glas lässt sich unbegrenzt wiederverwenden.

Bei Gebrauchsgütern entscheidet ein gutes Industriedesign darüber, ob die Komponenten, die in vielen Fällen länger leben als das eigentliche Produkt, wiederverwendet werden können – Beispiel Fairphone oder während der Chipkrise der Ausbau von Chips für Erntemaschinen – heute sogar für Kampfdrohnen.

Recycling ist gut – Wiederverwendung ist besser – das gilt vom Handy bis zum Kaffeebecher.

Herr Schwarz, wie integriert der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover Mehrwegsysteme in seine Abfallwirtschaftsstrategie?

Thomas Schwarz: Mehrwegsysteme spielen in einer anderen Liga – sie sind eine gesellschaftliche Aufgabe – im Abfallwirtschaftskonzept merken sie das indirekt – wir gehen von sinkenden Abfallmengen aus – der Notausgang wird kleiner.

Beispiel rund 200.000 Hannoccinio-Becher ersetzen mindestens 4 Millionen Einwegbecher (geschätzter Verbrauch Einwegbecher in Hannover/Jahr; 18 Mio.) und mittlerweile sind Trinkflaschen und andere Mehrwegbecher im Trend – es ist leider nicht so, dass wir Straßenpapierkörbe abbauen können, aber wenn sie seltener verstopfen, dann hilft das schon mal.

Welche Mehrwegsysteme werden in Hannover bereits erfolgreich eingesetzt und wie werden diese von den Bürgern angenommen?

Thomas Schwarz: Wir haben mit Frau Prof. Siebert-Raths die Pommesschale entwickelt und machen uns dran, sie in Umlauf zu bringen, aber wir begrüßen genauso Veranstaltungskonzepte mit Spülmobilen oder anderen Elementen – die Stadt Langenhagen z.B. hat dies bei der Vorbesprechung der Veranstaltungsgenehmigung vorbildlich aufgegriffen.

Entscheidend dabei: Mehrweg lohnt sich, weil in der Regel bis zu 30 Prozent weniger Ressourcen gebraucht werden – natürlich kostet Spülen auch Energie – für die Reinigung des Essgeschirrs oder die Abwasserbehandlung – der Energieverbrauch macht die Dinge vergleichbar –, aber wie bei Kunststoffen die Erstherstellung – wir sprechen von virgin material ist deutlich teurer. Die gestiegenen Energiekosten haben hier ein Umsteuern angeschoben.

Außerdem nicht zu unterschätzen: Die Wirkung auf die Menschen. Ein achtsamerer Umgang ist mehr und mehr angesagt – also, wenn nicht gerade ein mittelalterliches Ritteressen angesagt ist, achten die Menschen auch auf die Entsorgung.

Wie hoch sind die Kunststoff-Stoffströme in der aha Abfallbilanz?

Thomas Schwarz: Das, was bei uns ankommt, ist nur ein Bruchteil der Kunststoffmenge. Verpackungen sind eigentlich mit der gelben Tonne oder dem gelben Sack in der Regie der Dualen Systeme.

Trotzdem verstehen viele Menschen das System der Mülltrennung nicht. Bei unserer Analyse der Restmülltonne haben wir ermittelt, dass 11 kg (158 kg) oder 7 Prozent Verpackungen sind, vom Tetrapack bis zur Ostschale, die besser im gelben Sack/der gelben Tonne aufgehoben wären.

Eine stoffliche Verwertung bekommen wir aus dem Abfallgemisch nicht hin (jedenfalls nicht zu vertretbarem Aufwand).

In der Abfallstatistik Niedersachsen geht die Bandbreite der Verpackungsmasse von 28 kg/Person und Jahr über den Durchschnitt 34 kg/Person/Jahr bis zum Spitzenwert von 55 kg/Person und Jahr in der Stadt Cuxhaven (Tourismus ist durchgängig ein Treiber).

Wir reden also in der Region über insgesamt 34.000 Tonnen Sammelmenge (in Masse).

Was wir selbst sammeln, ist Hartplastik auf Wertstoffhöfen – wir nennen es die „Bobbycar-Fraktion“

1.200 Tonnen, von denen nach Sortierung rund 1/4, d.h. 300 Tonnen verwertet werden können. Trotzdem ein Beitrag zur CO2-Einsparung.

Mir ist aber persönlich wichtig:

Kunststoffe sind kein Reichweitenproblem nur 6 Prozent des Welterdölverbrauches wird durch sie verursacht – dieses Öl könnte man mühelos synthetisch herstellen.

Kunststoffe retten als Verpackung Lebensmittel vor frühzeitigem Verderb – Bis zu 20 Prozent der Lebensmittel erreichen nicht die Menschen, weil sie vorher – unsachgemäß gelagert – kaputt gehen.

Kunststoffe in der Umwelt richten schlimme Schäden an: Mikroplastik, sterbende Vögel, Fische, Schildkröten, die Plastikteppiche im Meer – nur ein guter Umgang und – unangenehm, aber unverzichtbar: Mehr Kontrolle ist nötig, dies zu verhindern.

Politische und gesellschaftliche Unterstützung: Wie unterstützt die lokale oder nationale Politik die Initiativen von aha im Bereich der Kreislaufwirtschaft?

Thomas Schwarz: Generell: Mitdenken, mittrennen kann jeder ohne großen Aufwand. Machen wir zuerst mal das, was wir beitragen können, bevor wir nach mehr Regulierung rufen.

Die EU hat verschiedenste Regelungen zu Einwegkunststoffen bis hin zum Anspruch auf Reparierbarkeit auf den Weg gebracht. Die Richtung stimmt.

Wir haben vom Stadtrat der LHH und von der Regionspolitik die Unterstützung, Projekte wie Hannoccino und Hannover sauber, aber auch andere Versuche (Syroporrecycling) durchzuführen.

Was uns fehlt, das wäre ein Pfandsystem für Industriebatterien, denn die lösen bei der Behandlung nur schwer in den Griff zu bekommende Brände aus. Bei Autobatterien funktioniert das. Es ist aufwändig, aber alle Betreiber von Behandlungsanlagen, egal ob privat oder öffentlich haben dadurch Probleme und Brände sind meist sehr teuer (Mio. €).

Vision und Ziele: "Was sind die langfristigen Ziele von aha in Bezug auf Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit?

Thomas Schwarz:

1. Umweltbildung

  • Wir müssen uns, auch dort, wo wir nicht direkt tätig sind, als Experten auf Höhe der Zeit halte und die Entwicklung des Standes der Technik begleiten.
  • Je nach Zielgruppe müssen wir Erkenntnisse und Folgerungen zielgruppengerecht weitergeben.

2. Optimierung der Behandlung

  • In der Mechanischen Anlage wollen wir die Trennung verbessern (bessere NI-Metallabscheidung); wir überlegen aus dem Gas der Vergärung – Methan- Wasserstoff herzustellen, weil dies energetisch besser ist als eine Elektrolyse
  • Wir sind mit der EEW im Gespräch, die Chancen und Nachteile der CCU und CCS-Technik zu untersuchen.

3. Sicherung und Verbesserung der Sammelqualität

  • Guten Kompost durch sortenreine Sammlung in der Biotonne
  • Verringerung der Restmüllmenge (Wertstoffe verdrängen)

Es gibt viel zu tun, machen wir weiter!

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