„Bereits beim Entwerfen einer Kunststoffverpackung muss auf die Recyclingfähigkeit geachtet werden!“
3 Fragen an Prof. Dr.-Ing. Andrea Siebert-Raths Leiterin des IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe an der Hochschule Hannover
Um die Umwelt zu schonen, fordern viele, auf Plastik möglichst komplett zu verzichten. Sie hingegen plädieren für eine differenzierte Betrachtung von Kunststoffen. Können Herstellung und Nutzung tatsächlich nachhaltig sein?
Eine Reduktion unnötiger Verpackungen vermindert den Kunststoffverbrauch erheblich und das ist auch absolut dringend notwendig. Dennoch wird uns ein vollständiger Verzicht auf Kunststoffe nicht gelingen. Deswegen müssen wir differenzieren: Wo benötigen wir Kunststoffe wirklich und wie können wir dafür sorgen, dass sie so oft wie möglich recycelt oder mehrfach verwendet werden, sodass ihre Herstellung und Entsorgung möglichst nachhaltig sind? Mehrfachnutzung, Recycling, Kreislaufwirtschaft sind die Stichworte, aber das alles muss viel, viel stärker und schneller forciert werden!
Zusammen mit aha betreiben Sie Aufklärungsarbeit wie beispielsweise im Rahmen der geplanten Verpackungs-/Alltagsguide-App. Was ist Ihre Motivation dahinter und welches Ziel wollen Sie damit erreichen?
Wir möchten Verbraucherinnen und Verbraucher für den Umgang mit Kunststoffen sensibilisieren. Dazu gehört Verzicht, wo möglich, Reduzierung, aber auch das Thema Recycling. Wie trenne ich richtig fürs Recycling? Und woraus werden Kunststoffe eigentlich hergestellt? Was sind Biokunststoffe? Und wo landet unser Kunststoffmüll tatsächlich? Die Plastikkrise können wir nur gemeinsam lösen. Große Unternehmen sind in erster Linie in der Pflicht und die Politik, aber auch die Gesellschaft. Jede und jeder Einzelne kann etwas tun!
Mit welchen Entwicklungen in der Kunststofftechnologie, aber auch im Recyclingprozess oder bei der Entsorgung rechnen Sie in Zukunft? Welche positiven Folgen hätte das?
Kreislaufwirtschaft ist das Stichwort! Recyclingquoten müssen deutlich gesteigert werden. Noch immer werden viel zu wenig Kunststoffe recycelt oder mehrfach genutzt, aber für eine Einmalnutzung sind sie viel zu wertvoll und schaden unserer Umwelt immens. Zudem müssen wir weg vom Erdöl und stattdessen nachwachsende Rohstoffe als Rohstoffe für Kunststoffe einsetzen. Insbesondere Reststoffen kommt hier eine Schlüsselrolle zu. Viele davon werden heute immer noch ungenutzt entsorgt, beispielsweise Stroh, Holzreste, Hanf- oder Flachsstaub, Ernterückstände, Obstkerne, Gemüse- und Nussschalen, Kaffeesatz. Setzt man sie für Biokunststoffe ein, hat das viele positive Effekte: Neue Absatzmärkte werden erschlossen, die Flächeneffizienz wird gesteigert, die Kaskadennutzung gefördert, indem die Rohstoffe zunächst stofflich und erst dann energetisch genutzt werden, die CO2-Belastung wird reduziert.
Außerdem erwarte ich, dass bei der Herstellung von Kunststoffen das Hauptaugenmerk auf ihrer Entsorgung liegt: Bereits beim Entwerfen einer Kunststoffverpackung muss auf die Recyclingfähigkeit geachtet werden! Keine Multilayer mehr, nur so viel Material einsetzen wie notwendig! Um das alles zu erreichen, brauchen wir aber auch Vorgaben seitens der Politik. Da ist nicht nur die EU-Kommission gefordert, sondern jeder einzelne Staat.